Bleibt Bürgerpetition „Kein Offener Vollzug an der JVA Tegel“ ohne Konsequenzen?

Senat offenbart merkwürdiges Demokratieverständnis

Über 5350 Menschen haben sich an der erfolgreichen Petition „Kein Offener Vollzug an der JVA Tegel“ beteiligt, die Unterschriften wurden Senat und Abgeordnetenhaus übergeben. Obwohl die Beratung dazu noch andauert, wurden jetzt erste Bauarbeiten angekündigt und angrenzenden Bewohner aufgefordert, bestimmte Flächen zu räumen.
Die beiden CDU-Abgeordneten Emine Demirbüken-Wegner und Stephan Schmidt, die beide die Petition unterstützten und selbst Unterschriften sammelten, sind davon entsetzt: "Dieses vorschnelle Handeln ist nicht nur eine Missachtung des Parlaments, es belegt das gestörte Demokratieverständnis des rot-rot-grünen Senats. Wir fordern den Senat auf, das parlamentarische Verfahren zur Petition abzuwarten, seine Entscheidung dann zu überprüfen und die Bürgerinnen und Bürger immer zeitnah über die nächsten Maßnahmen zu informieren."

Im Winter 2019/20 sprachen sich Anwohnerinnen und Anwohner im Umfeld der JVA Tegel gegen die Pläne des Senats aus, die offene Unterbringung von sicherungsverwahrten Sexualstraftätern am Rande der Siedlung ‚Waldidyll‘ einzurichten. Der Senat hielt stur an seinen Plänen fest. Schließlich starteten die Anwohner eine Online-Petition. Die von den Abgeordneten Emine Demirbüken-Wegner und Stephan Schmidt unterstützte Aktion der Bürgerinnen und Bürger gegen diese Pläne hatte bereits eine Woche vor Fristablauf Anfang Februar 2020 die ‚magische‘ Erfolgsgrenze von 5000 Zeichnern überschritten.

Beide Abgeordneten hatten in verschiedenen Aktionen Unterschriften gesammelt und konnten schlußendlich dem Initiator Marian Dix in zwei Übergaben mehr ca. 1000 zusätzliche Unterschriften dokumentieren. Zum Ende der Zeichnungsfrist am 02.02. hatten 5350 Bürgerinnen und Bürger sich eingetragen. Die Petition wurde an den Senat und das Abgeordnetenhaus von Berlin übergeben. Die Beratungen dazu dauern an.

Dass dieser Prozeß noch nicht abgeschlossen ist, scheint den rot-rot-grünen Senat nicht zu interessieren. Unmittelbar nach Pfingsten erreichten Schreiben der von Justizsenator Dr. Behrendt beauftragten senatseigenen BIM (Berliner-Immobilien-Management GmbH) die Anwohner. Darin werden erste Baumaßnahmen angekündigt und die angrenzenden Bewohner aufgefordert, bestimmte Flächen zu räumen.

Der Regierende Bürgermeister Müller hatte noch im Juli 2019 in seinem Bericht zur Bürgerbeteiligung wörtlich gesagt: „Der Bericht zeigt, dass Senat und Bezirken die aktive Mitwirkung der Bürger und Bürgerinnen an der Entwicklung und Ausgestaltung ihres Umfelds und unserer wachsenden Stadt sehr wichtig ist. Bürgerbeteiligung in Berlin reicht von Vorhaben zur Stadtgestaltung, zur Entwicklung von Grünflächen und Kinderspielplätzen über den Bereich der Bau- und Verkehrsplanung und Maßnahmen der Gleichstellung bis hin zu bezirklichen Kiezkassen und Bürgerhaushalten. Der Senat wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass die Berlinerinnen und Berliner viele Möglichkeiten haben, wirksam an der Gestaltung der Zukunft ihrer Nachbarschaften und unserer ganzen Stadt mitzuwirken.“
(Siehe auch hier.)

Demirbüken-Wegner und Schmidt: „Der Senat offenbart ein merkwürdiges Demokratieverständnis! Mit großem Getöse verkündete Rot-Rot-Grün am Beginn ihrer Regierungszeit, die Berlinerinnen und Berliner viel aktiver und meinungsgewichtiger in politische Prozesse einzubinden. Der tatsächliche Umgang mit der Bürger-Petition zur JVA Tegel zeigt, dass bei diesem Senat zwischen Anspruch und Wirklichkeit eine Riesenlücke ist.

Der Senat läßt hier Anstand und Sitte im Umgang mit Bürgerpetitionen vermissen. Dies ist ein grober Akt der Unhöflichkeit gegenüber der Bürgerschaft und eine Mißachtung des Parlaments. So kann man mit den Menschen nicht umgehen! Wir fordern den Senat auf, zumindest das parlamentarische Verfahren zur Petition abzuwarten, seine Entscheidung dann zu überprüfen und vor welchen Maßnahmenschritt auch immer die Bürgerinnen und Bürger zu informieren.“